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Kasperls Heldentaten und die Folgen
Franz Graf Pocci zum 200. Geburtstag


Eine Ausstellung des Puppentheatermuseums im Münchner Stadtmuseum
02.03.07 bis 05.10.08

Zum 200. Geburtstag des "Kasperlgrafen" unternimmt die Kabinettausstellung einen Streifzug durch die Rezeption seiner Kasperl- und Märchenkomödien im Puppentheater der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zugleich nimmt sie Bezug auf den Zeichner Pocci, der in seinen graphischen Arbeiten immer wieder die in den Marionettenspielen gestaltete und ironisch gebrochene spätromantische Bilderwelt aufscheinen ließ.

Der Dramatiker, Autor, Maler und Zeichner, Lyriker und Komponist Franz Graf Pocci (München 7. März 1807 - 7. Mai 1876) trat 1830 in die Dienste des bayerischen Königshauses und bekleidete in der Münchner Residenz hohe Hofämter (Zeremonienmeister, ab 1847 Hofmusikintendant, ab 1864 Oberstkämmerer) unter den Königen Ludwig I, Max II und Ludwig II. Große Popularität erlangte er als Autor und Illustrator für Jugend- und Märchenbücher, Volkskalender und Bilderbogen.


Franz Graf Pocci (München 1807 - 1876)
Foto: Franz Hanfstaengl, 1857
© Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum

Obwohl ihm als Dramatiker der Bühnenerfolg versagt blieb, haben sich seine zwischen 1859 und 1877 publizierten Stücke für Marionettentheater bis heute den Rang einer klassischen Puppenspielliteratur bewahrt. Die in sechs Bänden als "Lustiges Komödienbüchlein" erschienenen Spiele stellen Kasperlkomödien und Märchenspiele dar, die er nach eigener Erfindung, nach Märchen von Charles Perrault, den Gebrüder Grimm oder nach zeitgenössischen Vorlagen frei gestaltete. Sie entstanden für das mit Hilfe von Franz Pocci 1858 gegründete "Münchner Marionetten-Theater" von Josef Leonhard Schmid (1822-1912).

In der Zusammenarbeit von Pocci und Schmid vereinigten sich erstmals in der Geschichte des deutschen Puppenspiels der Praktiker mit dem Dichter, der dem Genre eine eigene, vom Schauspiel der Zeit unabhängige dramatische Literatur schuf. Obwohl für Kinderaufführungen geschrieben, sind die Stückvorlagen von Pocci nicht als harmlose Komödien zu verstehen. Vielmehr erweisen sie sich in ihren besten Beispielen als Zeitsatiren und groteske Karikaturen.

Vor allem aber hat Pocci dem Kasperl des Jahrmarktes neue Qualitäten verliehen, indem er ihm sprachlich Charakter und soziales Profil gab. Damit entstand eine neue Tradition der komischen Lokalfigur und des Lachtheaters auf der deutschen Puppenbühne, die sich vor allem im süddeutschen Raum ausbreitete und auch dem Geschmack eines gebildeten Publikums entsprach.

Durch diesen Umstand geriet das Werk Poccis in das Blickfeld einer bürgerlichen Generation von Künstlern und Liebhabern, die sich um 1900 mit dem Puppenspiel beschäftigten. Auf der soliden literarischen Grundlage seines Werkes aufbauend entstanden Amateurtheater und Berufsbühnen, die das handwerklich-traditionelle Puppenspiel des 19. Jahrhunderts aufgriffen, es sozial und ästhetisch aufwerteten und dem Kunstgewerbe zuordneten. Auch diese Entwicklung ging von München aus.

Die Ausstellung zeigt ein 45-köpfiges Ensemble von Marionetten zu Pocci-Stücken, die zwischen 1859 und 1874 im Münchner Marionette-Theater von Josef Leonhard Schmid uraufgeführt wurden.

Einige Texte gingen in das Repertoire von Bühnen über, die das Erbe des Schmid'schen Theaters im München des frühen 20. Jahrhunderts weiter pflegten oder über München hinaus bekannt machten. Zur ersten Kategorie zählt die aus einem Heimtheater hervorgegangene "Marionettenbühne München" von Hilmar Binter, die mit Figuren von Walter Oberholzer zu Poccis Märchenkomödie "Das Eulenschloss" in der Inszenierung von 1922 vertreten ist. Den Gegenpol bildet das 1906 gegründete "Marionettentheater Münchner Künstler" von Paul Brann mit "Die Zaubergeige" in der Ausstattung von Leo Pasetti, dem Chefbühnenbildner der Bayerischen Staatstheater. Die Aufführung kam 1926 als Neuinszenierung der Erstfassung von 1912 im Münchner Herkulessaal heraus und wurde auf zahlreichen Tourneen in England, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz in deutscher Sprache aufgeführt.


Kasperl Larifari als Jäger
Zeichnung aus "Kasperl auf der Jagd" von Franz Pocci, München 1852

Brann war aber schon früher mit einer Inszenierung der Pocci-Komödie "Kasperl als Portraitmaler" auf der Ausstellung "München 1908" in Erscheinung getreten. Im benachbarten Haus der "Schwabinger Schattenspiele" auf dem Ausstellungsgelände gab man neben Spielen von Justinus Kerner oder Clemens Brentano "Kasperl unter den Wilden" von Pocci als Hommage an die romantische Literatur. Beide Produktionen werden in der Ausstellung dokumentiert.

Die Aufführung von Pocci-Komödien stand fast immer am Anfang der Repertoirebildung von sich neu gründenden Bühnen. Dies gilt für die "Salzburger Marionetten" von 1913 unter Leitung des Bildhauers Anton Aicher ebenso, wie für das 1908 entstandene "Tölzer Marionettentheater" des Apothekers Georg Pacher oder das 1919 gegründete "Stuttgarter Marionettentheater" des ehemaligen Dentisten Georg Deininger. In der Schweiz eröffnete der Modehersteller Paul Scherrer 1903 das erste stehende Marionettentheater in St. Gallen mit Aufführungen von Pocci-Stücken.

Auch die Emanzipation des Handpuppenspiels vom Jahrmarktkasperltheater vollzog sich mit Hilfe der von Pocci bereitgestellten Texte. 1911 gründete der Kunsterzieher Theodor Schück in Freiburg/Br. eine Handpuppenbühne, deren Stückadaptionen durch eine behutsame Aktualisierung und Gegenwartsbezogenheit gekennzeichnet waren und dennoch ganz im Zeichen der satirischen und grotesken Weltsicht des Autors standen.

Die ergiebigste Phase der Pocci-Rezeption lag zwischen 1858 und dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Danach wanderten Teile des Repertoires in das Theater für Kinder ab oder wurden im Sinne eines Kasperl-Theaters für Kinder umgeschrieben. Den Schlusspunkt der Ausstellung bildet daher der Kasperl zu Kinderstücken des "Münchner Marionettentheaters" unter Leitung von Franz Leonhard Schadt, der das Münchner Marionetten-Theater von 1957 bis 2000 leitete.

Die Kabinettausstellung wird ergänzt durch weitere Exponate (Theatervorhänge, Bühnendekorationen, Bücher und Bilderbogen), die in der Dauerausstellung als zum Thema gehörig gekennzeichnet sind.

Begleitprogramm:

Donnerstag, 01.03.07, 20.30 Uhr
Kasperl tot - Schluss mit lustig?
Handpuppenspiel auf der Grenze zwischen Leben und Tod
Figurentheater Lutz Großmann, Berlin
Veranstaltungssaal im Münchner Stadtmuseum

Donnerstag, 08.03.07, 19.00 Uhr
Die Grafen Pocci
Film von Hans Jürgen Syberberg, Deutschland 1967
Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum

Donnerstag, 07.06.07, 11.00 Uhr
Franz Graf Pocci als Komponist
Konzert mit Instrumental- und Vokalmusik
Musikinstrumentenmuseum im Münchner Stadtmuseum

 




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