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Marionetten & Co. - Das Marionettentheater Münchner Künstler von Paul Brann, 1906-1940
Eine Ausstellung des Puppentheatermuseums im Münchner Stadtmuseum 21.07.06 bis 09.09.07
Der aus Schlesien stammende und über die Stationen Breslau und Berlin erstmals 1897 nach München kommende Schriftsteller Paul Brann (1873-1955) war ein Freund der Schauspieler und Regisseure Friedrich Kayssler und Max Reinhardt. Er übertrug den hoch entwickelten Stil der Stimmungsdramaturgie und des Ensemblespiels, wie er am Deutschen Theater in der Reichshauptstadt gepflegt wurde, auf das bislang wenig beachtete Marionettentheater und wurde so zum Begründer und erstem Regisseur des künstlerischen Puppenspiels in Europa.
Paul Brann, um 1936
In Zusammenarbeit mit in München tätigen bildenden Künstlern wie Jakob Bradl, Ignatius Taschner, Julius Diez, Lucian Bernhard, Paul Pankok, Olaf Gulbransson, Ernst Stern, Josef Wackerle und Leo Pasetti entstanden Figuren- und Bühnenausstattungen für Schau- und Singspiele sowie werbegrafische Arbeiten, die bildnerisch dem Jugendstil und dem Neoklassizismus verpflichtet sind. Der Spielplan des Theaters umfasste Werke von Autoren wie August Mahlmann, Franz Graf Pocci, Maurice Maeterlinck, Arthur Schnitzler, Egon Friedell und Alfred Polgar, Molière, Mozart und Jacques Offenbach.
Die Ausstellung zeigt Figurenensembles sowie Theatermalerei und stellt die Entwerfer mit weiteren Werken aus ihrem Schaffensbereich vor.
Teufel zu "Don Juan", 1906
Entwurf und Ausführung: Ignatius Taschner
Das Marionettentheater Münchner Künstler verkörperte in seiner Modernität eine gegenüber dem zeitgenössischen Puppenspiel völlig neuartige Konzeption. In der Zusammenarbeit des Dramaturgen und Regisseurs Paul Brann mit Vertretern des Münchner Kunstgewerbes entstanden erstmalig Inszenierungen als nach materialästhetischen Gesichtspunkten durchgearbeitete und formal in sich geschlossene Theaterkunstwerke. Entspricht dieses Ideal eines Gesamtkunstwerkes aus künstlichem Darsteller in einer künstlichen Bühnengestaltung unter exakt angepasstem Einsatz von Licht, Musik und Sprache heute nicht mehr ausschließlich den Ansprüchen an das Figurentheater der Gegenwart, so war Branns Anlehnung an die Stimmungsdramaturgie eines Regisseurs wie Max Reinhardt bahnbrechend für die Überführung des Marionettenspiels in die gesellschaftliche Akzeptanz eines gebildeten städtischen Theaterpublikums. Gestalter wie Richard Teschner in Wien und Ivo Puhonny in Baden-Baden nahmen noch vor dem Ersten Weltkrieg diese Figur, Raum und menschlichen Akteur hinter der Bühne gleichermaßen inszenierenden Ansatz auf und führten ihn im Sinne eines intimen Kammerspiels fort. Wie diese, so wahrte auch Branns Theater den Stil einer der menschlichen Gestalt und Lebenswelt anverwandten Darstellungsweise. Den Weg in die figürliche und räumliche Abstraktion, wie er nach 1918 in konstruktivistischen Experimentalaufführungen an europäischen Kunstgewerbeschulen und am Bauhaus beschritten wurde, vollzog das künstlerische Puppenspiel nicht mit.
Fassade des in Holz erbauten Marionettentheaters
im Vergnügungspark der "Ausstellung München 1908"
Fassade des in Stein erbauten Marionettentheaters
im Vergnügungspark des Münchner Ausstellungsgeländes, 1910
Entwurf: Paul Ludwig Troost
Die an sein Medium gestellten Ansprüche übertrug Paul Brann auch auf die äußeren Bedingungen seiner Arbeit, zu denen er wiederum Künstler hinzuzog, die bereits als Figurengestalter, Bühnenbildner und Architekten für ihn arbeiteten. In München ließ er im Vergnügungspark des Ausstellungsgeländes 1908 und erneut 1910 eigene Theaterbauten in künstlerisch exquisiter Aussen- und Innengestaltung errichten. Als innerstädtischer Auftrittsort diente ihm zudem der Herkulessaal der Münchner Residenz. Den Anlass zu Gastspielen boten bis 1918 zumeist Kunst- und Gewerbeausstellungen in Düsseldorf, Dresden, Hamburg, Berlin und Leipzig. Auftritte in Wien, Budapest, Zürich und Paris waren gesellschaftliche Ereignisse an repräsentativen Spielorten. Hingewiesen sei auch auf die graphische Qualität der Plakate, Theaterzettel und Broschüren, die ein einheitliches Werbekonzept zur Grundlage hatten.
Foyer und Zuschauerraum mit dem
Proszenium der Marionettenbühne, 1910
Entwurf: Paul Ludwig Troost, Ausstattung: Joseph Wackerle, Proszenium: Julius Diez
Durch den Verlust seines privaten Vermögens nach dem Ersten Weltkrieg war Paul Brann auf die Einnahmen jährlich stattfindender Tourneen in den Niederlanden, der Schweiz und in Großbritannien angewiesen. Aufführungen in München konnten nur noch in der Sommersaison im Ausstellungspark und zur Weihnachtszeit im Herkulessaal durchgeführt werden. Die häufigen Auslandsaufenthalte nutzten 1933 Puppenspieler in München und Stuttgart als einen von vielen Belegen, um Paul Brann zu denunzieren. Das Hauptargument war dabei seine jüdische Religionszugehörigkeit, die er aber bereits 1912 zu Gunsten des evangelischen Glaubensbekenntnis abgelegt hatte. Brann emigrierte mit seiner Familie 1934 nach Oxford, von wo aus er unter sehr erschwerten Bedingungen nur noch zu Gastspielen in englischen Schulen aufbrechen konnte. Die Inszenierung neuer Stücke war nicht mehr möglich. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges endete auch die Spieltätigkeit.
Hinter der Bühne während der Aufführung
von "Das Mädchen von Elizondo", um 1936
In den Kulissen vorne und hinten im Bild die Figuren
zu "Goethe im Examen" von Polgar/Friedell, 1928
Der Nachlass des Marionettentheaters Münchner Künstler gelangte durch Ankauf in den 1960er und 1980er Jahren in die Sammlung des Puppentheatermuseums im Münchner Stadtmuseum. Er zählt zu den wertvollsten Beständen und repräsentiert einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Theaters und des Kunstgewerbes dieser Stadt.
Tourneewagen der Bühne, 1921
Bemalung nach einem Entwurf von Paul Neu
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