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Bin im Orkus - Der Film

01.04.11 bis 30.10.11

Im Jahr 2009 gestalteten Künstler aus Italien, Frankreich, Österreich und Deutschland unter Leitung von Gyula Molnàr und Francesca Bettini die Ausstellungsinstallation Bin im Orkus. Ein Tagebuch aus Matsch.

Aus Schnittmustern, Papiermaché, objets trouvés, Schattenspielen, Kreide, Sand, Holz, Farbe, Kleidungsstücken, einer mechanischen Nähmaschine und schriftlichen Aufzeichnungen aus dem Ersten Weltkrieg entstand die museale Präsentation eines dreidimensionalen Tagebuches zur gleichzeitig stattfindenden Produktion des Theaterstücks Kasperls Wurzeln, das im gleichen Jahr im Veranstaltungsprogramm der Kulturhauptstadt Linz Premiere hatte.

Zum Raumkonzept schrieben Molnàr und Bettini: "Der Raum ist eine Werkstatt, in der einige Kreaturen das Licht der Welt erblicken und mit ihren ersten Schritten einer möglichen Geschichte entgegen gehen. Die Wände sind die Seiten eines Tagebuches, aus denen man die Entwicklung eines Theaterstückes lesen kann."

Nach Ablauf der Ausstellung brachte es die Sammlungsleitung nicht über das Herz, das Tagebuch aus Matsch kaltblütig im Orkus der Münchner Abfallwirtschaft verschwinden zu lassen. Auf Anregung der Schweizer Künstlerin und Theaterhistorikerin Hana Ribi bat sie Gyula Molnàr und Francesca Bettini, die Installation als Material und Kulisse für eine zweite, filmische Spur ihrer theatralen Denk- und Produktionsweise zu nutzen.

Bin im Orkus - Der Film nimmt das Motiv des (fiktiven) Großvaters aus der Rauminstallation auf. Als Soldat im Ersten Weltkrieg führt er das Stück Kasperls Wurzeln erfolgreich vor den verletzten Kameraden im Lazarett auf. Wie Orpheus soll Kasperl eine geliebte Person retten, und wie dieser scheitert er. Der Verweis auf die griechische Mythologie verbindet das Motiv des Weltkrieges mit der Zerreißung des Dionysos durch die Titanen. Als Strafe hierfür werden sie von Apollo mit feurigen Blitzen pulverisiert. Aus der Asche und dem Dampf der verbrannten Titanen entstehen die Menschen und unter ihnen Molnàrs Großvater. Traumatisiert vom Erlebnis des Krieges erschafft dieser sich eine eigene kleine Welt mit dem Kasperl als alter ego, der dem Kreislauf von Zerstörung und Wiedergeburt unterworfen ist.

Genau diese Mischung aus Mythos und Alltäglichkeit, aus Existenzialität und Beiläufigkeit ist es, die auch die Arbeit von Gyula Molnàr und Francesca Bettini auszeichnet. Sie sind vor allem Spurenleger und Spurenleser. Sie hören den Menschen und den Dingen zu, geben ihren Geschichten Raum, schaffen Verbindungen zwischen Subjekt- und Objektwelt, zwischen Einzelschicksal und Geschichte, lassen aber dabei stets Raum für Leerstellen. Diese Leerstellen beteiligen den Besucher an der Spurensuche, geben ihm Raum für eigene Gedanken, Assoziationen und Interpretationen. Sie sind zugleich Zeichen für etwas, das vergangen ist und für etwas, das sein könnte. Sie geben Raum für Erinnerung und für Utopie. (Katja Spiess)

Deutschland / Italien 2011
ca. 30 Minuten; Buch und Regie: Gyula Molnàr und Francesca Bettini
Kamera: Claudio Coloberti; Schnitt: Gyula Molnàr und Claudio Coloberti
Mitarbeit: Olivia Molnàr, Tristan Vogt
Produktion: Münchner Stadtmuseum

1. April - 30. Oktober 2011

 




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